Die hämolytischen Transfusionsreaktionen werden durch Alloantikörper im Serum der Patientinnen/des Patienten ausgelöst, welche gegen Oberflächenantigene der transfundierten Erythrozyten gerichtet sind. Es kommt zur Zerstörung der transfundieren Erythrozyten (Hämolyse), wobei meist neben der Bindung des Antikörpers selbst eine zusätzliche Komplementbindung erforderlich ist.

Pathogenetisch unterscheidet man zwei Formen der hämolytischen Transfusionsreaktion:

  • Intravasale Hämolyse
    Diese wird von allen Antikörpern ausgelöst, welche bei der Bindung an die korrespondierenden Erythrozytenantigene die Komplementkaskade bis zur Stufe C9 aktivieren (meist Antikörper der Klasse IgM). Hierzu gehören in erster Linie die Isoagglutinine im ABO-System, in seltenen Fällen aber auch der anti-Le(a)-Antikörper. Im Rahmen der an der erythrozytären Oberfläche ablaufenden Komplementaktivierung wird der sog. „Membrane-Attack-Complex“ gebildet, der zu einer akuten Lyse der Zellmembran innerhalb des Gefäßsystems führt. Daher resultieren intravasale Hämolysen meist sehr rasch in klinischen Symptomen (hämolytische Transfusionsreaktion vom Sofort-Typ).
  • Extravasale Hämolyse
    Extravasale Hämolysen beobachtet man vor allem bei Antikörpern, welche die Komplementkaskade lediglich bis zur C3-Stufe zu aktivieren vermögen bzw. bei Antikörpern, welche nicht zur Komplementbindung führen (meist Antikörper der Klasse IgG). Derartig beladene Erythrozyten werden entweder intrahepatisch oder intralienal abgebaut, wobei der Abbau wesentlich langsamer erfolgt als bei der intravasalen Hämolyse. Im Gegensatz zu intravasalen Hämolysen machen sich extravasale Hämolysen daher in der Regel erst Tage nach der Transfusion klinisch bemerkbar (hämolytische Transfusionsreaktion vom verzögerten Typ). Antikörper, welche extravasale Hämolysen hervorrufen können, sind beispielsweise die Antikörper des Fy-, des Jk– und des K-Systems.

Häufig wird irrtümlich geglaubt, extravasale Hämolysen seien grundsätzlich weniger ausgeprägt als intravasale Hämolysen. Dies ist eine irrige Annahme. Die Schwere der Hämolyse und damit des entstehenden Krankheitsbildes ist nicht grundsätzlich davon abhängig, ob eine Hämolyse intra- oder extravasal abläuft, sondern von den Antigen- und Antikörpereigenschaften, der Komplementaktivierung und der Beschaffenheit des Monozyten-Makrophagen-Systems. Auch extravasale hämolytische Transfusionsreaktionen können letal verlaufen.

Ursachen

Hämloytische Transfusionsreaktionen können auf dem Boden verschiedener Ursachen entstehen:

  • Fehltransfusionen im AB0-System
    In aller Regel basieren diese auf Verwechslungen von Patientin/Patient, Blutröhrchen oder Konserve. Diese Problematik wird auch im Kapitel „Praktische Durchführung“ ausführlich beschrieben. Inkompatible Fehltransfusionen im AB0-System führen in der Regel zu einer fulminanten intravasalen Hämolyse.
  • „Ungekreuzte“ Transfusionen
    Wenn in lebensbedrohlichen Notfällen keine Zeit mehr bleibt, Antikörpersuchtest und Kreuzproben durchzuführen oder gar die Blutgruppe der Patientin/des Patienten zu bestimmen, werden meist Erythrozytenkonzentrate der Blutgruppe 0 (Rh negativ) ohne vorherige Testung transfundiert. Liegt im Serum der Patientin/des Patienten ein zu den Antigenen der transfundierten Erythrozyten korrespondierender präformierter Antikörper vor, so wird dieser in diesem Falle nicht erkannt und kann hämolytische Transfusionen auslösen (deshalb müssen „ungekreuzt“ transfundierte Erythrozytenkonzentrate grundsätzlich „nachgekreuzt“ werden).
  • Antikörper-Boosterung
    Erythrozytäre Alloantikörper können im Laufe der Zeit in ihrem Titer so weit abfallen, dass sie durch die heute verfügbaren Testsysteme des Antikörpersuchtestes und der Kreuzprobe nicht mehr erkannt werden. Das ist bei ca. 30% aller Antikörper der Fall, wobei Unterschiede zwischen den einzelnen Antikörperspezifikationen nachweisbar sind. Wird in einem solchen Fall ein Erythrozytenkonzentrat mit dem korrespondierenden Antigen auf der Zelloberfläche (bei negativem Antikörpersuchtest und negativer Kreuzprobe) transfundiert, so kann es innerhalb von wenigen Tagen zu einer Boosterung dieser Antikörper in den klinisch relevanten Bereich und dadurch zu einer (meist extravasalen) Zerstörung der transfundierten und sich noch in der Zirkulation der Patientin/des Patienten befindlichen Erythrozyten führen (Hämolytische Reaktion vom verzögerten Typ; s. oben). Deshalb muss ein einmal aufgetretener erythrozytärer Alloantikörper lebenslang beachtet werden, auch wenn man ihn direkt vor einer Transfusion nicht mehr nachweisen kann (Dokumentation! Notfall-Ausweise der Patientinnen/Patienten über Alloantikörper müssen ernst genommen werden!)