Antike

Bereits im alten Ägypten glaubten die Menschen an die wundersame Heilkraft des Blutes. So badeten damals die an Lepra erkrankten Könige der Ägypter im Blut von geopferten Menschen und erhofften sich dadurch eine Heilung dieser Infektionskrankheit (daher kommt vermutlich der Begriff „Blutbad“). C. Plinius Secundus der Ältere (23 bis 79 n. Chr.) schreibt in seinen Naturalis Historia über diese „Therapiemaßnahme“:

Plinius Secundus
(23-79 n. Chr.)

“Diximus elephantiasim ante Pompei Magni aetatem non accidisse in Italia; et ipsam a facie saepius incipientem, in nare prima veluti lenticula; mox inarescente per totum corpus, maculosa variis coloribus et inaequali cute, alibi crassa, alibi tenui, dura alibi ceu scabie aspera; ad postremum vero nigrescente et ad ossa carnes adprimente, intumescentibus digitis in pedibus manibusque. Aegypti peculiare hoc malum et, cum in reges incidisset, populis funebre, quipped in balineis solia temperabantur humano sanguine ad medicinam eam”

“Wir haben bereits gesagt, dass die Elephantiasis in Italien nicht vor der Zeit des Pompeius des Großen aufgetreten sei; auch sie beginnt ziemlich oft im Gesicht, und zwar zuerst an der Nase wie eine kleine Linse; dann vertrocknet am ganzen Körper die Haut, die verschiedenfarbige Flecken bekommt und ungleich wird, hier dick, dort dünn, anderswo hart und rau wie bei der Krätze; schließlich aber wird sie schwarz und drückt das Fleisch an die Knochen, wobei Zehen und Finger anschwellen. Dieses Übel ist in Ägypten vorherrschend und brachte, als die Könige von ihm befallen worden waren, auch dem Volk Verderben, da zu ihrer Heilung in den Bädern die Wannen mit Menschenblut versetzt wurden“ (übersetzt von R. König und G. Winkler, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1939) [die Autoren dieser Internetseite bedanken sich ganz herzlich bei den Mitarbeitern des Lehrstuhls für Ägyptologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg für die Auffindung dieser Literaturstelle und die fachliche Diskussion].

In der griechischen Kultur galt Blut als Grundlage des menschlichen Bewusstseins und erhielt dadurch vor allem metaphysische Bedeutung. So bezeichnet Pythagoras (ca. 570 – 510 v. Chr.) das Blut als „Nahrung für die Seele“ und Hippokrates von Kos (ca. 460 – 370 v. Chr.) wird der Satz zugeschrieben: „Das Blut verleiht dem Menschen das Bewusstsein“ [De morbis acutis et chronicis, C. Aurelianus, 5tes Jh. n. Chr.]. Darüber hinaus wurden im menschlichen Blut aber auch körperlich-heilende Kräfte vermutet. So schreibt der römiche Dichter Publius Ovidus Naso (Ovid, 43 v. Chr. – 17 n. Chr.) in seiner einzigen Tragödie „Medea“ über die zauberkündige Tochter des griechischen Königs Aietes von Kolchis: „Mit gezücktem Schwert öffnet Medea dem Greise Aeson die Gurgel, entlässt das alte Blut, füllt sie erneut mit frischem und sobald es Aeson durchströmt verschwindet das weiße Haar, am Bart und Haupt wallt es in dunkler Lockenpracht. Falten und Blässe verschwinden, prall von erneutem Blut sind gefüllt die Adern. Jugendlich strotzt der neugeschaffene Aeson und fühlt sich wie einst in den Jahren der Jugend“

In der antiken römischen Kultur galt Blut unter anderem als Heilmittel gegen die Epilepsie. So empfahl Plinius Secundus „fallsüchtigen Patienten“, das Blut von gefallenen bzw. verletzten Gladiatoren zu trinken. Dieses Blut galt als besonders heilkräftig, da es Blut von gesunden und kräftigen Menschen stammte, die in der vollen Kraft ihres Lebens standen und nicht an Krankheiten oder Gebrechen litten.

Mittelalter

Marsilio Ficino
(1433-1499)

Im späten Mittelalter wurde Blut vorwiegend als „Anti-Aging-Therapie“ eingesetzt. Im Jahre 1489 empfahl Marsilio Ficino (1433-1499), ein zur damaligen Zeit sehr bekannter Florentiner Arzt und Philosoph, dass „Greise nach Art der Blutegel aus der frisch eröffneten Armvene ein oder zwei Unzen saugen“ sollten, um wieder jugendliche Kraft zu erlangen. So soll Papst Innozenz VIII (1432-1492) kurz vor seinem Tode das Blut von drei 10jährigen Knaben getrunken haben, um wieder die physischen Eigenschaften dieser Jünglinge zu erlangen. Geholfen hat es allerdings nichts – der Pabst verstarb kurz danach am 25. Juli 1492 in Rom.

Diese Anekdote, die im 19ten Jahrhundert immer wieder von Chronisten berichtet worden war, erwies sich letztendlich jedoch als wissenschaftlich nicht haltbar. Ob es politische oder andere Gründe waren, warum sie über fast 150 Jahre immer wieder in der Literatur Erwähnung findet, lässt sich nur vermuten. Letztendlich waren es zwei Arbeiten aus dem Jahre 1954 (Garrit Lindeboom) und 1991 (Matthew Gottlieb), die nachweisen konnten, dass es sich nur um eine phantasievolle Anekdote, nicht aber um eine wahre Begebenheit gehandelt hat.

Neuzeit

Die Übertragung von Blut von einem Individuum auf ein anderes mittels Infusion ist eine Erfindung der Neuzeit. Als erster soll hierzu der englische Landgeistliche F. Potter (1594-1678) bereits im Jahre 1640 entsprechende Theorien entwickelt haben. Die erste erfolgreiche homologe Transfusion (Transfusion innerhalb einer Spezies) wurde im Jahre 1666 durchgeführt; Richard Lower (1631–1691), ein englischer Arzt und Physiologe, hatte einem Hund eine große Menge Blut eines anderen Hundes transfundiert. Es wird berichtet, dass diese Transfusion sehr erfolgreich verlaufen sein soll: der Hund „wälzte sich im Gras und zeigte kein anderes Zeichen von Beeinträchtigung, als wenn er ins Wasser geworfen worden wäre“.

Richard Lower
(1631-1691)

Lammbluttransfusion (1692)

Bereits ein Jahr später, am 15.6.1667 fand die erste Transfusion von Tierblut auf den Menschen statt. Es waren der Leibarzt von König Ludwig dem XIVten, Baptiste Denis (1643-1704) und sein Kollege, ein Wundarzt (P. Emmerz), die einem 15-jährigen fiebernden Jungen, der wegen vielfacher Aderlässe schon sehr geschwächt war, Blut eines jungen Lammes transfundierten. Angeblich hat der Patient diese Prozedur sogar überlebt, ohne Schaden zu erleiden. In den nächsten Jahrhunderten wurde diese Art der Bluttransfusion daher immer wieder angewandt. Es ist jedoch nicht schwer zu erraten, dass dies auf Dauer nicht gut gehen konnte. Die meisten Patienten überlebten derartige Transfusionen nicht. Trotzdem wurde die Lammbluttransfusion bis in das 19te Jahrhundert immer wieder versucht; manche Chirurgen empfahlen sogar, Soldaten sollten in der Schlacht ein Schaf auf dem Tornister mit sich führen, damit man nötigenfalls rasch eine Blutübertragung durchführen könne. Etwas vernünftigere Zeitgenossen argumentierten, dass ein frischer Lammbraten mit einer guten Flasche Rotwein sicherlich bessere Dienste tun würde. Erst Ende des 19ten Jahrhunderts konnte der Hallenser Chirurg R. Volkmann (1830-1889) mit seiner „Leichenrede zur Tierbluttransfusion“ diesem Unwesen endgültig ein Ende setzen. So soll er gesagt haben: „Zur Übertragung von Schafsblut gehören drei Schafe: eines, dem man das Blut entnimmt, ein zweites, das es sich übertragen lässt und dazu ein drittes, das die Übertragung durchführt“.

Bluttransfusion durch James Blundell
THE LANCET 1829

Die erste homologe Transfusion am Menschen erfolgte 1818 in England durch James Blundell (1790-1877). Blundell war Arzt, Physiologe und Geburtshelfer an den Krankenhäusern Guy`s Hospital und St. Thomas Hospital in London und immer wieder mit dem Problem massiver postpartaler Blutungen und den meist fatalen Folgen für die Patientinnen konfrontiert. Nach langen theoretischen Überlegungen und vielen systematischen Tierexperimenten wagte er am 22ten Dezember 1818 die erste Transfusion menschlichen Blutes. Er injizierte einer kachektischen Patientin, die an inneren Blutungen zu versterben drohte, 12 bis 14 Uncen (ca. 350 ml) Blut, das er einigen seiner Assistenten entnommen hatte. Die Patientin lebte nach dieser Transfusion noch zwei Tage, bevor sie im hämorrhagischen Schock, vermutlich aufgrund eines blutenden Magenulcus verstarb.  Den Ruf als „Vater der modernen Transfusionsmedizin“ erwarb sich Blundell jedoch erst einige Jahre später, als er 1825 die Bluttransfusion als erfolgreiche Therapiemaßnahme an mehreren Frauen, die nach einer Geburt zu verbluten drohten, anwandte und dies in der Zeitschrift THE LANCET im Jahre 1829 publizierte. In der Folgezeit fand diese Form der Bluttransfusion in ganz Europa immer wieder Nachahmer – mit wechselhaftem Erfolg. Folgendes Zitat aus einer Publikation aus dem Jahre 1849 spricht Bände:

„We conclude, that the operation (gemeint ist die Bluttransfusion) is one of the safest major operations which maybe practised in surgery. The total number of cases here given is 48; the number of death 18; giving a rate of mortality of 1 in 3 – rather less than that of hernia or about the same as the average of amputations … .“ [C. H. F Routh: REMARKS, STATISTICAL, AND GENERAL, ON TRANSFUSION OF BLOOD; THE MEDICAL TIMES, VOL. XX, p. 114, 1849]

So verwundert es nicht, wenn Ernst von Bergmann (1836 – 1907) in seiner Rede zum Stiftungstag der Militärärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883 erklärt: „Die vor noch nicht zehn Jahren prophezeite, neue, blutspendende Aera in der Medizin ist bereits im Keime erstickt und schnell zu Grabe getragen worden. Wir müssen uns eben im Können bescheiden, so lange wir noch im Wissen zurückstehen“.

Das 20te Jahrhundert

Karl Landsteiner auf einer 1000-Schilling Banknote (Österreich, 1997)

Eine wissenschaftliche Grundlage erhielt die Übertragung von Blut erst 1901 durch die Arbeiten von Karl Landsteiner (1868-1943), der als erster die Blutgruppeneigenschaften des AB0-Systems und die korrespondierenden Isoagglutinine beschrieb und der hierfür im Jahre 1930 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Die erste Blutbank der Welt wurde 1919 im Rockefeller-Institut in USA gegründet, die kommerzielle Herstellung von Testsera begann 1925 in Wien. Danach begann eine rasante Entwicklung in der Transfusionsmedizin. Bis heute sind mehr als 35 Blutgruppensysteme mit über 300 verschiedenen Blutgruppenantigenen bekannt. Auch die Technik der Bluttransfusion hat enorme Fortschritte gemacht und wird kontinuierlich weiter entwickelt. Inzwischen zählt die Transfusion von Blut und Blutprodukten zu einer der häufigsten, wichtigsten und auch sichersten Therapiemaßnahmen der modernen Medizin. So werden allein in Deutschland mehr als 4 Millionen Blutkomponenten pro Jahr übertragen; weltweit kann die Anzahl nicht einmal geschätzt werden. Ohne diesen Fortschritt wäre vieles, was heute zum Wohle der Patienten in der Medizin machbar ist, sicherlich nicht möglich.