Biochemisch handelt es sich bei den Antigenen des AB0-Systems um unterschiedliche endständige Saccherid-Moleküle, die an sogenannte Carrier-Moleküle gebunden sind.

Carrier-Moleküle

Derzeit werden 4 verschiedene Typen von Carrier-Molekülen (Typ 1 – Typ 4) unterschieden. Diese Carrier-Moleküle stellen quasi die „Trägersubstanz“ der AB0-Blutgruppen dar und unterscheiden sich von Gewebe zu Gewebe. So gehören beispielweise die Carrier-Moleküle im Nierengewebe vorwiegend dem Typ 4 an, während die Carrier-Moleküle in Erythrozyten vorwiegend dem Typ 2 zugeordnet werden.

Carrier-Moleküle bestehen grundsätzlich aus 2 Anteilen:
a) einem Polypeptid- oder Sphingolipid-Anteil
b) einem daran gebundenen Oligosaccharid
Je nach Carrier-Typ unterscheiden sich die jeweiligen Polypeptid- bzw. die Sphingolipidanteile sowie die Saccharid-Sequenzen. Allen gemeinsam ist jedoch, dass am Ende der Oligosaccharid-Kette eine Galaktose gebunden ist.

Carrier-Molekühle der AB0-Blutgruppen

Die AB0-Blutgruppen selbst entstehen durch Modifikation dieser Carrier-Moleküle durch genetisch determinierte Glykosyltransferasen. Je nachdem, welche Glykosyltransferasen determiniert sind, werden die Kohlenhydratabschnitte unterschiedlich modifiziert und bestimmen die verschiedenen AB0-Blutgruppen.

Blutgruppe 0

Durch die α1,2-Fucosyltransferase 1 (genetisch determiniert durch das sog. H- oder FUT1-Gen, Chromosom 19q13.33) wird eine Fucose an die endständige Galaktose des Carrier-Moleküls angefügt und es entsteht die sog. H-Substanz (H-Antigen). Man spricht von Blutgruppe 0.

Blutgruppe 0 (H-Substanz)

Bei Personen der Blutgruppe 0 bricht die Synthese auf dieser Stufe ab. Weitere aktive Glykosyltransferasen im AB0-System sind bei diesen Personen nicht determiniert. Menschen der Blutgruppe 0 sind also durch die ausschließliche Existenz der H-Substanz auf ihrer zellulären Oberfläche gekennzeichnet.

Bei Personen der Blutgruppe A, B oder AB dagegen sind weitere Glykosyltransferasen genetisch determiniert.

Blutgruppe A

Bei Personen der Blutgruppe A wird ein N-Acetyl-Galaktosamin-Molekül an die H-Substanz angefügt. Verantwortlich hierfür ist eine genetisch determinierte N-Acetyl-Galaktosaminyl-Transferase (Glycosyl-Transferase A, Chromosom 9q34.1).

Blutgruppe A

Blutgruppe B

Bei Personen der Blutgruppe B wird ein zusätzliches Galaktose-Molekül an die H-Substanz angefügt. Verantwortlich hierfür ist eine genetisch determinierte Galaktosyl-Transferase (Glycosyl-Transferase B, Chromosom 9q34.2).

Blutgruppe B

Blutgruppe AB

Bei Personen der Blutgruppe AB sind beide Enzyme (N-Actyl-Galaktosaminyl-Transferase und Galaktosyl-Transferase) genetisch determiniert, so dass man auf der zellulären Oberfläche sowohl Oligosaccharide der Blutgruppe A als auch der Blutgruppe B findet.

Zusammenfassend sind also Träger der AB0-Blutruppen durch die genetische Determinierung folgender Enzyme charakterisiert:

 0ABAB
α1,2-Fucosyltransferase 1 (FUT1)++++
N-Acetyl-Galaktosaminyl-Transferase-+-+
Galaktosyl-Transferase--++

Sondersituation Neugeborene

Während bei erwachsenen Menschen die Kohlenhydratketten normalerweise verzweigt sind und dadurch hohe Antigendichten auf der Oberfläche der Erythrozyten entstehen, ist dies bei Neugeborenen in der Regel nicht der Fall. Daher ist die Antigenbestimmung bei Neugeborenen sehr viel schwieriger als bei erwachsenen Menschen. Hinzu kommt, dass man bei Neugeborenen noch keine Isoagglutinine nachweisen kann. Beides führt dazu, dass die Blutgruppenbestimmung bei Neugeborenen niemals als endgültig und sicher betrachtet werden kann. Dementsprechend sollte man bei Neugeborenen auch keine Blutgruppenausweise (bzw. nur mit entsprechenden Hinweisen) ausstellen. Auch bei der Blutgruppenauswahl der transfundierten Konserven muss dieses Phänomen berücksichtigt werden.

Häufigkeiten

In der folgenden Tabelle ist die Häufigkeitsverteilung der AB0-Blutgruppen in Deutschland dargestellt. Parallel dazu findet sich eine Analyse von 122 178 Patienten, die in den letzten Jahren am Universitätsklinikum in Würzburg behandelt wurden. Man erkennt deutlich, dass Würzburg „ganz gut im Trend“ liegt.

Blut-
gruppe
Häufigkeit in
Deutschland (%)
Häufigkeit in
Würzburg (%)
040 – 4239,5
A42 – 4444,5
B10 - 1211,5
AB4,5 – 5,54,5